Bitcoin Theorie

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Zugriffspunkte des Staates

Regulierung von Handelsplattformen und Tauschplätzen

Der wichtigste und einfachste Einstiegspunkt in das Bitcoin-System läuft über Handelsplattformen, auf denen herkömmliches Geld gegen Bitcoins getauscht bzw. Bitcoins gehandelt werden können. Tauschplätze sind Plätze, auf denen Produkte und Dienstleistungen für Bitcoins erworben werden können.

Ein logisches Ziel eines Staates ist zu diesem Zeitpunkt die klare Identifikation der Akteure, da diese Identifikation nach einem einmaligen anonymen Erwerb nur schwerlich vorgenommen werden kann. Bei vorhergehender Identifikation kann der Weg der Bitcoins anhand der Blockchain nachverfolgt und analysiert werden. Demnach sollte jede Handelsbörse dahingehend ähnlich einer Bank reguliert werden. Tauschbörsen können im Vergleich dazu wie Unternehmen behandelt werden, die dokumentieren sollten, von welchen Bitcoin-Adressen Kunden Zahlungen an sie getätigt haben. Ihnen würde hierbei de facto die Identifikation verbleibender Adressen zukommen. Sollte die Identifikation strafrechtlich relevant werden, weil gegen den Nutzer der Adresse ermittelt wird, kann diese Ermittlung mithilfe der von den Unternehmen gespeicherten Adressen erleichtert werden. Durch den Versand von Produkten kann je nach Gesetzgebung der Standort von Personen ermittelt werden. Schwierig wird es bei immateriellen Dienstleistungen, beispielsweise dem Übersetzen von Texten, dem Programmieren von Computercode oder grafischen Arbeiten. Hierbei kann zwar eine Regulierung angestrebt werden, indem der jeweilige Anbieter reguliert wird, jedoch ist es z. B. im Falle von workforcrypto.com unwahrscheinlich, dass der Betreiber sich diesen Regulierungen unterwerfen würde, da dies im Widerspruch zu seinem Geschäftsmodell stehen würde. Eine Verlagerung seiner Unternehmung in eine unregulierte Jurisdiktion wäre für ihn einfacher und würde sein auf Anonymität aufbauendes Geschäftsmodell erhalten. In Fällen wie diesem verpufft jedwede Form der Regulierung.

Für einen Staat wäre es praktikabel, die Identifikation der Akteure beim Umtausch von Geld in Bitcoins auf der jeweiligen Handelsplattform bzw. vice versa durchzuführen, um dadurch die Transaktionspartner der Dienstleistung zu ermitteln. Hierzu könnten die entsprechenden Ermittlungsabkommen zwischen den Staaten ausgeweitet werden. Die entsprechenden Bitcoin-Adressen müssen jedoch ermittelt werden, um die Transaktionspartner klar zuordnen zu können, was einen Zugriff auf die E-MailKonten der Handelspartner notwendig machen würde. Eine elegante Lösung wäre die Umkehr der Beweispflicht im Falle des Erhalts von herkömmlichem Geld von einer Bitcoin-Handelsplattform, beziehungsweise eine Nachricht an den jeweiligen Bürger mit dem Hinweis der Versteuerungspflicht von Bitcoin-Einkommen. Dies könnte national reguliert werden, solange die jeweilige Handelsplattform Bitcoin-Adressen treuhänderisch verwaltet. Bei rein privaten Verkäufen, wie beispielsweise durch localbitcoins.com oder btc-otc.com, bei denen der Handelsplattform keine Treuhänderfunktion zukommt, ist es schwierig zu überprüfen, wer wann von wem kauft. Diese Überprüfung kann je nach Gesetzen der betroffenen Jurisdiktion nicht kontrolliert werden.

In den USA beispielsweise konnten zwei Verkäufer auf localbitcoins.com angeklagt werden, nachdem sie eine Transaktion mit einem Geldwert von etwa 30.000 $ mit einem verdeckten Ermittler getätigt hatten.93 Je nachdem, wie viele Bitcoin-Zahlungen von nicht registrierten Bitcoin-Adressen nacheinander mit denselben Bitcoins durch verschiedene Akteure durchgeführt werden, entstehen lange Transaktionsketten, deren steuerrechtliche Relevanz durch den steigenden Aufwand der Ermittlungen nahezu nicht mehr aufklärbar ist.

Demnach kann gesagt werden, dass Anbieter immaterieller Dienstleistungen sich einer Regulierung durch Wechsel der Jurisdiktion entziehen können. Dies könnte jedoch durch Umkehrung der Beweislast national reguliert werden. Ein Lösungsansatz kann sein, dass Zahlungsströme auf Bitcoin-Handelsplattformen dem Finanzamt automatisch gemeldet werden. Die rationalste Reaktion der Akteure hierauf ist das Abwandern des Bitcoin-Handels in eine schlechter regulierte Jurisdiktion. Dies wäre wiederum nur durch ein Verbot von Bitcoin zu verhindern, wobei dadurch zumindest eine mögliche Beschleunigung von Offshore-Finanzgeschäften verhindert werden würde. Insgesamt bieten sich jedoch ausreichende Möglichkeiten an, um das BitcoinSystem durch nationale Gesetze und wenige internationale Abkommen in einem hohen Grad zu regulieren.

Bitcoin verbieten

Wie kann der Staat Bitcoin verbieten?

Voraussetzung dafür ist ein Verbot für die heimischen Banken, Geld an BitcoinHandelsplattformen zu transferieren oder die Auflage, von BitcoinHandelsplattformen erhaltenes Geld melden bzw. einfrieren zu müssen. Dies hätte keine Folge auf den privaten Handel mit Bitcoin, da dieser nicht unterbunden und jedweder Erwerb oder Verkauf von Bitcoin ins Ausland verlagert werden könnte. Ähnliche Regulierungsansätze wurden von China bereits ausprobiert.94 Den Unternehmen könnte (mit entsprechender Sanktionierung) verboten werden, BitcoinZahlungen entgegenzunehmen. Diese Vorgehensweise hätte zur Folge, dass der private Markt erheblich geschwächt werden würde. Die Nutzer des privaten Markts könnten zwar weiterhin frei Bitcoins miteinander tauschen, wären dabei aber auf sich selbst und das Ausland beschränkt. Außerdem wäre ein hohes Maß an Vertrauen notwendig, da Bitcoins zwar im Ausland weiterhin anonym gekauft werden könnten, aber durch die Unumkehrbarkeit von Bitcoin-Transaktionen und das Verbot von Bitcoin im Inland die entsprechende Ware oder Dienstleistung nicht mehr einklagbar wäre.

Der Staat kann Bitcoin-Transaktionen nicht verhindern. Er kann höchstens versuchen, sie nachträglich zu sanktionieren und die hierfür benötigten Informationen entweder durch ein Abkommen mit den Staaten, in denen die Bitcoin-Handelsplattformen angesiedelt sind, oder an Netzwerkknotenpunkten zu erlangen bzw. sie komplett zu blockieren. Dazu werden entsprechende Regulierungsmöglichkeiten benötigt; weiterhin ist der Sachverhalt technisch wie juristisch noch nicht geklärt.

Ein grundlegend anderer Ansatz wäre die Regulierung der Validierung von jedem einzelnen Bitcoin bzw. Wallet durch die Identifizierung des Eigentümers.95 Dadurch würde eine Datenbasis für die Nachvollziehbarkeit aller inländischen Transaktionen geschaffen, um gegebenenfalls Sanktionen verhängen zu können. Andererseits hätte es erhebliche negative Auswirkungen auf die Eigenschaft der Fungibilität von Bitcoins, also der Tatsache, dass jeder Bitcoin gleich viel wert ist. Weiterhin würde sich auch die Transaktionsgeschwindigkeit erheblich verlangsamen, da jeder Akteur neu identifiziert werden müsste. Je nach Umsetzung dieser Identifikation kann eine völlige Transparenz des Zahlungsverkehrs eines jeden Bitcoin-Nutzers sichergestellt werden – ein potentiell enormes Überwachungskonstrukt bzw. eine enorme Menge analysierbarer Daten. Dieses Überwachungskonstrukt kann mit der Regulierung von Unternehmen beginnen, so dass es diesen nur erlaubt ist, Bitcoin-Zahlungen von validierten Adressen anzunehmen. Als Nebenwirkung würde das Bitcoin-System im entsprechenden Land erheblich geschwächt werden. Es wäre fraglich, wie viele der bisherigen Nutzer des Bitcoin-Systems dann noch davon absehen würden, es zu verlassen oder ihre Einkäufe auf andere Jurisdiktionen zu verlagern.

Eine andere Möglichkeit wären internationale Abkommen zwischen einem Großteil der Staaten, in denen Bitcoin-Unternehmen angesiedelt sind oder in denen Unternehmen Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren.96 Hierbei ist fraglich, wie die USA (als Vorreiter) Bitcoin regulieren würden, da sie – zum Zeitpunkt 26.02.2014 – mit ca. 1395 Bitcoin akzeptierenden Unternehmen, rund 144.000 Bitcoins im staatlichen Besitz und den meisten in der Bitcoin-Branche agierenden Unternehmen die größte Bitcoin-Industrie weltweit haben.

Demnach kann gesagt werden, dass ein nationales Verbot von Bitcoin zwar erhebliche Einschränkungen für Unternehmer und Konsumenten bringen würde, aber ein privater Markt weiterhin bestehen könnte. Außerdem würden dabei der nationalen Wirtschaft potentielle Kunden entgehen. Des Weiteren können Bitcoins problemlos über Grenzen transferiert werden, was nur mithilfe der Internet Service Provider technisch blockiert werden könnte, was jedoch ebenso wie die juristische Dimension noch nicht abschließend diskutiert wurde. Ein internationales Verbot erfordert also einen hohen Aufwand, während ein nationales Verbot durch einen Wechsel der Jurisdiktion umgangen werden könnte. Eine Validierung von Bitcoins oder Wallets kann denselben Effekt wie ein Bitcoin-Verbot bewirken, bietet jedoch darüber hinaus ein enormes Potential für ein Überwachungskonstrukt.

Dezentrale Mixer verhindern

Dem gegenüber steht die Implementierung von dezentralen Mixern (z. B. der Dark Wallet), beispielsweise mithilfe des CoinJoin-Verfahrens. Eine Implementierung dieses Verfahrens in eine Wallet oder in die Bitcoin-Software hätte zur Folge, dass eine Analyse der Blockchain oder eine Überwachung dieser enorm erschwert werden würde, da aus jeder zu beobachtenden öffentlichen Bitcoin-Adresse mit jeder weiteren Transaktion eine entsprechend programmierte Anzahl von anderen Transaktionen verwoben werden würde, welche dann wiederum auch beobachtet werden müssten. Demnach könnte extrem schnell eine entsprechend undurchschaubare Blockchain entstehen, womit weder bewiesen werden könnte, wem welche Adresse gehört, noch wer wem Bitcoins geschickt hat. Die Implementierung dieses Verfahrens wäre eine anonymisierte Alternative zum herkömmlichen Geldsystem und würde eine staatliche Prüfung der Finanzen und Steuern nahezu unmöglich machen. Das Stadium eines dezentralen, anonymen Bitcoin-Systems wäre erreicht, was von einem Staat nicht zugelassen werden sollte.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Entstehung eines solchen Systems zu verlangsamen oder zu verhindern: das Verbot von zentralen oder dezentralen Mixern, die Sperre von Entwicklerseiten oder entsprechenden Handelsplattformen, rechtlich bedenkliche Angriffe auf die Kommunikationswege von Entwicklern sowie Beeinflussung der Entwickler.

Während die ersten beiden Maßnahmen darauf abzielen, die Adaption der Mixer, beispielsweise in Form von Mixer-Wallets, durch die Konsumenten zu verhindern, zielen die letzten beiden Maßnahmen darauf ab, die Programmierung einer entsprechenden Wallet bzw. die Implementation eines solchen Verfahrens zu verhindern. Das Entwicklerteam um Gavin Andresen hat seine Verantwortung für das Bitcoin-System erkannt und deshalb das CoinJoin-Verfahren noch nicht implementiert. Dabei schlägt dem Team von anderer Seite (beispielsweise den Entwicklern der Dark Wallet) wegen ihrer Gespräche mit Vertretern der US-Regierung Kritik entgegen.97 Diese Einstellung von Seiten des Teams der Dark Wallet wird als Crypto-Anarchismus bezeichnet.98 Die einen sehen das Bitcoin-System als neue, komfortable Währung, die in die Gesellschaft integrierbar ist, die anderen als einen Weg, das Individuum zu befreien.

Demnach kann gesagt werden, dass der Staat zumindest auf die Programmierer Einfluss nehmen kann (was z. B. in den USA schon der Fall ist), um an Informationen zu gelangen.99

Dezentrale Mixer können eine enorme Gefahr für Staaten darstellen, wenn diesen der Mixalgorithmus nicht bekannt ist. Beide Alternativen der Entwicklung des BitcoinSystems sind weiterhin möglich, jedoch ist fraglich, ob diese beiden Extreme besser sind als die herkömmlichen Geldsysteme. Es könnte auch eine Mischung aus beiden Systemen entstehen, indem dezentrale Mixer erlaubt, den staatlichen Finanzbehörden die Algorithmen jedoch bekannt sind.

Angriff auf die Privatheit notwendig?

Es stellt sich die Frage, ob ein ausreichendes Netz an Regulierungen gespannt werden kann, um keine Eingriffe in die Privatheit vornehmen zu müssen.

Durch die notwendigen Regulierungen für Handelsplattformen und Tauschplattformen bleiben nur wenige Möglichkeiten offen, sich anonym Zugang zum Bitcoin-System zu verschaffen. Anbieter wie localbitcoins.com können ihre Dienste in nicht regulierende Jurisdiktionen umziehen, um sie weiterhin anbieten zu können. Allerdings werden Bürger einer regulierten Jurisdiktion bei entsprechenden Sanktionen entsprechende Dienste nicht mehr nutzen. Die Hemmschwelle, Geschäfte in einer nicht regulierten Jurisdiktion zu tätigen, wird erhöht. Daher könnte durch internationale Abkommen der anonyme Erwerb von Bitcoins in Steueroasen zurückgedrängt werden, allerdings gilt auch hier: je weniger Steueroasen es gibt, desto mehr Gewinn erwirtschaftet die Einzelne.

Ein Großteil der Produkt- und Dienstleistungsanbieter auf Tauschplattformen liefert Informationen, wie sie kontaktiert werden können und nutzt herkömmliche Banktransfers, weshalb die steuerlichen Aspekte einsehbar sind.

Dasselbe gilt für Mining Pools: diese können zwar insofern reguliert werden, als dass sie eine öffentliche Adresse angeben müssen, von der aus sie die einzelnen Miner bezahlen, jedoch sind sie nicht daran gehindert, ihre Dienste in weniger regulierte Jurisdiktionen zu verlagern. Der Pool Eligius verspricht hierbei Anonymität, welche dadurch gewährleistet wird, dass er die Bitcoins splittet, bevor er sie an die Miner auszahlt, weshalb Meiklejohn et al. keine zuverlässige Adresse des Pools ermitteln konnten.100 Der Staat kann jedoch von den Herstellern von Mining-Equipment Informationen über die Käufe seiner Kunden erhalten. Dadurch bleiben nur Miner unerkannt, die selbst zusammengestellte Hardware nutzen.

Auch workforcrypto.com gewährleistet Anonymität, indem es die beiden Marktseiten zusammenführt. Hierbei liefern die jeweiligen Anbieter auf workforcrypto.com wertvolle Informationen, wie sie kontaktierbar und dementsprechend auch angreifbar sind. Dabei ist die Adressermittlung solcher Anbieter durch die dadurch mögliche Bekämpfung von Schwarzarbeit besonders interessant.

Jedoch gibt es die Möglichkeit, dass Nutzer mithilfe von anonymen E-Mail-Diensten unerkannt bleiben. Bei Nutzung von localbitcoins.com führt dies immer noch zu einem persönlichen Treffen, bei immateriellen Dienstleistungen, wie beispielsweise auf workforcrypto.com angeboten, gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt auf die Person außer der eigentlichen Arbeit.

Es handelt sich jedoch um eine sehr kleine Minderheit, welche bisher die Möglichkeiten und Fähigkeiten besitzt, tatsächlich anonym zu bleiben.101 Hierbei ist es fraglich, ob es aufgrund dieser kleinen Minderheit zu rechtfertigen ist, Eingriffe in die Privatheit zu legitimieren.