Bitcoin Theorie

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Eingliederung des Bitcoin-Systems in die Kapitalflucht

Die Kapitalflucht in der Literatur

Kapitalflucht lässt sich zu normalen Kapitaltransfers in der Praxis kaum abgrenzen. Machlup53, Haberler54 und Kindleberger55 definierten in verschiedenen Arbeiten aufgrund ihrer Beobachtungen, dass in den zwanziger und dreißiger Jahren trotz höherer Zinsen im Inland Kapital im Ausland angelegt wurde, Kapitalflucht als „sicherheitsmotivierte, anormale Kapitalbewegungen“. Krämers Definition von Kapitalflucht lautet: „Kapitalflucht ist eine autonome, private, zwischenstaatliche Kapitalbewegung, die ausgelöst wird durch das Auftreten eines Risikos, das von den gesellschaftlichen staatlichen und politischen Rahmenbedingungen des Exportlandes ausgeht.“56 Nach Deppler und Williamson ist eine notwendige Bedingung für Kapitalflucht die Furcht vor einem Wertverlust, der durch Kapitalexport eventuell vermieden werden kann. Zusätzlich nannten sie als hinreichende Bedingung, dass die erwarteten Risiken und Verluste, die den Kapitaltransfer auslösen, groß sein müssen.57 Khan und Ul Haque definieren die Kapitalflucht als den Versuch, einem „Enteignungsrisiko“ zu entgehen.58

Aus diesen verschiedenen Definitionen von Kapitalflucht können verschiedene Bedingungen für den Fluchtort des Kapitals aufgestellt werden. Der Fluchtort sollte sich des Risikos der gesellschaftlichen, staatlichen und politischen Rahmenbedingungen des Fluchtlandes entziehen sowie das Kapital vor einem Wertverlust schützen und das Enteignungsrisiko minimieren.

Die Sicherheit eines dezentralisierten Zahlungssystems

Ein „Enteignungsrisiko“ bekamen zyprische Sparer in der Finanzkrise zu spüren.59 Hierbei stellt sich die Frage, ob dem Staat bekannte Bitcoin-Konten vor Enteignung geschützt sind oder ob dies ermöglicht werden kann. Ein Bitcoin-Konto ist ein Lagerplatz für Bitcoins, das deren öffentliche Adressen und private Schlüssel speichert. Dazu gibt es die in Kapitel 2 genannten Methoden der Lagerung in einer Wallet, der Lagerung auf einem Handelsplatz oder verschiedene cold-storage-Methoden.

Ohne einen privaten Schlüssel kann ein Bitcoin nicht transferiert werden. Jeder mit privatem Schlüssel kann auf den Bitcoin zugreifen und ihn an eine beliebige andere Adresse verschieben.

Die Pseudonymität des Bitcoin-Systems schützt zwar vor einem direkten Zugriff des Staates auf eine Web-Wallet oder einen Handelsplatz, durch die Transparenz der Blockchain und der eigenen registrierten Käufe von Bitcoins kann jedoch nachvollzogen werden, wo sich die jeweiligen Bitcoins befinden und dementsprechend das pseudonyme Konto bei dem Betreiber der Web-Wallet oder des Handelsplatzes gesperrt werden. Dafür ist je nach Sitz und Verhalten des Betreibers mehr Zeit erforderlich, als um ein nationales Bankkonto zu sperren. Der Zugriff kann jedoch auch ohne das Wissen des Besitzers vorbereitet werden, damit dieser seine Bitcoins nicht auf eine andere Bitcoin-Adresse transferieren kann. Nach einer einmal erfolgten Sperrung des Zugangs könnte eine Identifikation eingefordert werden, die je nach Art der Zugriffe, die auf das Konto erfolgt sind und deren Speicherung durch den Anbieter eine negative Beweislage schaffen könnte. Mobile Wallets setzen meist auch auf die Speicherkapazitäten Dritter, was dieselben Risiken birgt.

Software Wallets, wie Bitcoin-Qt, MultiBit oder Armory ermöglichen eine bessere Kontrolle über die eigenen Bitcoins und wodurch diese trotz erfolgter Identifikation der Bitcoin-Adresse durch Informationen von Handelsbörsen oder Unternehmen weiterhin transferiert werden können. Dies wurde beispielsweise von WikiLeaks genutzt.60 Ohne erfolgte Identifikation könnte der „Suchende“ maximal das Pseudonym und einen geschätzten nationalen Aufenthaltsort der Bitcoins abschätzen, den der Besitzer wiederum durch einen Proxy verschleiert haben könnte.61 Ein erfolgreicher Zugriff auf diese Bitcoins würde voraussetzen, dass der Bitcoin-Besitzer von seiner Hardware getrennt werden würde, bevor er wissen würde, dass seine Bitcoins beschlagnahmt werden sollen. Hierbei ist weder klar, ob die erfolgte Identifikation funktioniert hat, noch ob die Bitcoins schon an einen anderen Benutzer transferiert worden sind, noch wo sie sich befinden oder ob eine Sicherung zurückgehalten wird. Die Feststellung aller nötigen Informationen würde eine Überwachung oder eine Beschlagnahmung sämtlicher daran mutmaßlich beteiligter Computer erfordern.

Cold-storage-Methoden hingegen verlangsamen zwar die Transaktionsgeschwindigkeit, wären aber gegen Diebstahl, Überwachung und Enteignung besser geschützt, da diese im Gegensatz zu der Lagerung von Geld, Gold oder anderen Wertgegenständen immer das gleiche Volumen beanspruchen. Mögliche Verstecke für die öffentliche Adresse und den privaten Schlüssel wären: das Eingravieren in ein Metallstück (Paper Wallet), das hinter der Steckdose angebracht wird, das Verwenden als Lesezeichen (Paper Wallet) oder das Speichern auf einem in einem geheimen Bankfach deponierten USB-Stick (Wallet). Der Prozess der Generierung einer Paper Wallet erfordert einiges an Vorbereitung, da gewisse Sicherheitsmaßnahmen für den jeweiligen Computer getroffen werden müssen, bevor die Wallet ausgedruckt werden kann.62 Ihre Sicherheit ist jedoch maximal.

Für einen Steuerentzieher macht es jedoch Sinn, eine pseudonyme Adresse zu verwenden, die nicht direkt mit persönlichen Informationen verknüpft ist und dementsprechend neue Adressen zu generieren, damit eine direkte Zugehörigkeit von Bitcoin-Vermögen zumindest geleugnet werden kann. Es ist mit enormen Schwierigkeiten verbunden, einmal identifizierte Adressen zu anonymisieren, jedoch könnte dieses Problem durch eine Integration des CoinJoin-Verfahrens für dezentrale Mixer in Wallets gelöst werden. Deren Entwicklung sollte intensiv beobachtet werden, besonders weil dezentrale Mixer im Vergleich zu zentralen Mixern kein Vertrauensverhältnis zum Programmierer voraussetzen, da ihr Programmcode i. d. R. öffentlich einsehbar ist. Hierbei besteht die Schwierigkeit wirkliche Zufallszahlen generieren, damit ein dezentrales Mixing-System nicht berechenbar wird. Jedoch gibt es, sollte dieser Fall der Berechenbarkeit eintreten, dann das wesentlich größere Problem der Berechnung privater Schlüssel. Deshalb hat selbst bei einem „kryptografischen Wettrüsten“ die Berechnung des Schlüssels im Extremfall existenzielle Auswirkungen auf das Bitcoin-System. Deswegen ist zu überlegen, ob das Bitcoin-System sich als schnelle Möglichkeit der Geldverschiebung anbietet, um dem Verbotsrisiko oder Volatilitätsrisiken vorzubeugen. Das Verbotsrisiko stellt die Gefahr der drastischen Entwertung der Währung Bitcoin durch ein Verbot seitens der relevanten Staaten dar.63

Die notwendige Geschwindigkeit

Das Bitcoin-System kann aktuell als schnelle Möglichkeit der Verschiebung genutzt werden, wodurch ein Großteil der Risiken des Systems vermieden wird. Hierzu wird vor der Transaktion ein gewisses Maß an Vorbereitungszeit benötigt, die für die Registrierung und oftmals die Identifizierung benötigt werden. Ebenfalls muss bedacht werden, dass das Wissen und das Vertrauen um die Funktionsweise der Geldverschiebung vorhanden sein müssen oder zumindest in annehmbarer Zeit erlernt werden können. Die erste Transaktion erfordert ebenso Zeit, deren Dauer je nach Art der Transaktion variieren kann. Dagegen erfordern die erstmalige Zwischenlagerung in einer eigenen Wallet und eine zweite Transaktion innerhalb der neuen Jurisdiktion je nach Wissensstand weniger Zeit.

Hierzu werden fünf Möglichkeiten untersucht: Bitcoin-Automat, localbitcoins.com oder per Handelsplattform, Mining, Mining mieten oder für Bitcoins arbeiten. Während das Erarbeiten von Bitcoins, beispielsweise mit workforcrypto.com, sehr zeitintensiv ist und die entsprechenden Qualifikationen erfordert, kann es anonym und unabhängig von einem festen Wohnort aus ausgeführt werden. Bitcoins zu minen benötigt im Vergleich dazu eine noch erheblichere Spezialisierung, verursacht Kosten und benötigt einen festen Standort. Wesentlich zeiteffektiver ist es, mithilfe von localbitcoins.com einen entsprechenden Käufer zu finden und mit diesem zu handeln. Da dies jedoch zeitlich genau wie die Identifikation auf Handelsplattformen variiert, ist eine genaue Dauer nicht abschätzbar, andererseits kann es je nach Handelsbörse innerhalb von 1-2 Tagen zu einem Handel kommen. Bei bitcoin.de beispielsweise kann ohne Durchführung des Postident-Verfahrens eine Summe von 2.500 € gehandelt werden, die, vorausgesetzt es finden sich Verkäufer mit derselben Bank, innerhalb eines Tages in Bitcoins getauscht werden können. Der schnellste Weg, sein herkömmliches Geld in Bitcoins zu tauschen, ist mithilfe von Bitcoin-Geldautomaten, deren Höchstgrenze, Authentifizierungsverfahren und Anonymität sich je nach Standort des Automaten erheblich unterscheiden können.

Zur Sicherheit sollten die Bitcoins nach Erhalt an eine neue eigene anonyme Adresse gesendet werden. Diese Transaktion kann auch gesplittet werden, um ein geringeres, unauffälligeres Volumen pro Transaktion zu erhalten
Im letzten Schritt werden diese wieder in eine herkömmliche Währung umgetauscht. Dies kann mithilfe von Handelsplattformen oder Banken geschehen und benötigt ein in der entsprechenden Jurisdiktion eröffnetes Konto. Natürlich können auch Produkte oder Immobilien damit gekauft werden sowie das Geld in andere Wertanlagen umgeschichtet werden.6

Demnach kann gesagt werden, dass je nach persönlichem Standort Geld innerhalb von Stunden in Bitcoins umgetauscht werden kann. Eine darauf folgende Transferierung kann binnen Minuten geschehen, der zeitaufwändigste Punkt dieses Prozesses ist die Eröffnung eines Bankkontos in einer sicheren Jurisdiktion. Eine große Kapitalbewegung benötigt also die nötige Vorbereitungszeit, um ein verifiziertes Bitcoin-Konto auf einer Handelsplattform anzulegen.